In den kommenden Jahren werden wir massive Veränderungen erleben. Ich habe die wichtigsten neun Themengebiete zusammengetragen, die meiner Meinung nach wesentliche Auswirkungen auf unser tägliches Leben haben werden. Diese Themen werden somit auch die Markenführung und das Marketing im digitalen Zeitalter verändern. Unternehmen, die in ihren Branchen bereits heute die Weichen stellen, werden nicht als Verlierer dastehen, sondern mit viel Mut zu den Gewinnern zählen - Die Zukunft gehört den Mutigen.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich unsere Welt bereits stark verändert. Erinnert ihr euch noch an die Zeit, in der Flugreisen eher von reichen Menschen gebucht werden konnten? Oder die Zeit, in der man in einer langen Schlange vor dem Schalter stehen und stundenlang warten musste, um Geld abzuheben? Bis vor kurzem hat man dann sein Geld bequem am Bankomaten abgehoben. Doch in Zeiten von Paypal, ApplePay und GooglePay dürfte auch das Bargeld bald ausgedient haben. Auch normale Kinobesuche werden immer seltener. Mittlerweile gibt es 3D- und 4D-Kinos, viel wahrscheinlicher schauen wir uns heute jedoch Filme auf „Netflix“ und Co. an. Auch das Telefonieren war früher anders. Ein Ferngespräch musste angemeldet werden und war zudem sehr teuer. Dies war nicht nur umständlich, sondern kostete auch viel Geld. Heute hingegen sind Telefonanrufe potentiell kostenlos und können jederzeit vom Handy getätigt werden. Die Liste könnte noch weiter fortgeführt werden und wir wären überrascht, wie sich unterschiedliche Dinge quasi unscheinbar verändert haben. Es lässt sich also festhalten, dass unser Leben schon immer von größeren und kleineren Veränderungen geprägt war. Was macht den Unterschied der Veränderungen von damals zu heute aus?
Ich möchte das an einem Beispiel der Büromöbelbranche veranschaulichen. Bereits Ende der 90er Jahre haben sich die Büromöbelhersteller weltweit Gedanken um das "papierlose Büro" gemacht. In einer Zeit, in der der große Hype um die sogenannte New Economy, die ersten digitalen Player entstehen ließen, die heute als Google, Amazon & Co. bekannt sind, wurde auch die Idee des "papierlosen Büros" geboren. Papier sollte dem Computer Platz machen. Psion, Palm und andere digitale Helferlein, sogenannte Handhelds, waren Status Symbol eines modernen Managers, so wie ein paar Jahre später auch das BlackBerry. Die guten Zeiten für Büromöbelhersteller, die den größten Umsatz mit Stauraum-Möbel machten, schienen vorbei. Doch es gibt sie noch immer die Stauraum-Möbel, wenn auch die Anzahl verkaufter Quadratmeterfläche deutlich geringer ist. Doch warum ist das so? Warum verwenden wir bis heute noch Papier im Büro?
Die Antwort ist einfach: Die Zeit war schlichtweg noch nicht reif für papierlose Zeiten. Heute, dreißig Jahre später, sieht das anders aus. Die digitalen Techniken haben sich massiv weiterentwickelt und durch den Generationenwechsel sind die heutigen Fachkräfte nicht nur geübt im Umgang mit Microsoft-Produkten, sondern kennen als Kommunikationsmittel neben WhatsApp bspw. auch Slack.
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Das Schaubild veranschaulicht die zu erwartende exponentielle Entwicklung durch die Digitalisierung. Waren wir 1999 beim Thema "papierloses Büro" noch etwa auf der Stufe 1,1 so stehen wir heute bei Stufe 4. Was das bedeutet lässt sich anhand eines einfachen Rechenbeispiels verdeutlichen:
Nach drei Zyklen (ausgehend von 1999):
1,1 x 1,1 = 1,21
1,21 x 1,21 = 1,46
1,46 x 1,46 = 2,13
Nach drei Zyklen exponentiell technologischer Veränderung, ausgehend von 1999, stehen wir etwa bei Stufe 2,13. Schauen wir uns das nun ausgehend von Stufe 4 an.
Nach drei Zyklen (ausgehend von heute):
4 x 4 = 16
16 x 16 = 256
256 x 256 = 65.536
Nach drei Zyklen exponentiell technologischer Veränderung, ausgehend von heute, stehen wir bereits bei Stufe 65.536. Diese exponentielle Veränderung kann sich das menschliche Gehirn gar nicht vorstellen. Selbst wenn wir heute erst bei Stufe 2 Stünden, wäre nach drei Zyklen Stufe 256 erreicht. Man kann also mit Sicherheit sagen, dass die Zeit für das papierlose Büro 1999 noch nicht reif war. Die Ideen, die mit dem Bewusstsein der bevorstehenden technologischen Entwicklungen entstanden, waren der Zeit weit voraus. Die technischen Neuerungen, die als Faktor für das "papierlose Büro" eine große Rolle spielen, wuchsen zwar bereits exponentiell, befanden sich jedoch noch auf einem sehr niedrigen Niveau.
Die Zeit ist reif
Weil die Digitalisierung durch immer schnellere Rechenleistungen heute dazu in der Lage ist, die technologischen Entwicklungen immer schneller umzusetzen und sich diese Techniken zudem noch gegenseitig ergänzen, stehen wir an einem Punkt, der die Welt massiv verändern wird. Wir befinden uns in hochinteressanten Zeiten und ich bin sehr froh dabei sein zu dürfen.
Welches sind nun die neun Themengebiete von Veränderung, die ich gerade im Kontext von Marke und Marketing für elementar halte?
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1. Digital: Alles, das digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden
Das ist zwar eher der Oberbegriff, der alle weiteren Themen subsumiert, dennoch möchte ich diesen explizit benennen. Der Gedanke ist insofern wichtig, weil sich dahinter auch die Frage verbirgt, was denn nicht digitalisiert werden kann. Nicht alle Experten sind sich darin einig, was das sein könnte. Ich bin ein Verfechter des Gedankens, dass Themen wie Intuition, Emotion, Kreativität, Phantasie, Empathie, Ethik, Werte, Bewusstsein, Mitgefühl oder auch Geheimnisse - zumindest vorerst - nicht digitalisiert werden können. Jetzt werden einige den Zeigefinger strecken und sagen, dass es doch bereits erfolgreiche Experimente mit "künstlicher Intelligenz" gegeben hat, bei welchem eine Software ein Gemälde von Rembrandt nachgeahmt hat und so ein ganz neues Gemälde nach "Rembrandt Art" entstanden ist. Oder dass es bereits Software gibt, die ein Graphic User Interface (GUI) einer neu zu gestaltenden App aufgrund einer eingehenden GUI-Analyse von drei ähnlichen App-Anbietern entstehen lässt? Ja, das stimmt und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Kreativität ist? In meinem Artikel Next Rembrandt - Wie kreativ ist künstliche Intelligenz? komme ich zum Ergebnis, dass die beiden genannten Beispiele keine Kreativität per Definition sind, sondern ein logisch mathematisches Ergebnis. Auch Intuition, Emotion, Phantasie, Empathie, Ethik, Werte, Bewusstsein, Mitgefühl und Geheimnisse kann künstliche Intelligenz (noch) nixht leisten.
Was ist dann mit all den Themen, die nicht digitalisiert werden können?
Diese Fähigkeiten werden deutlich an Wert gewinnen und können nicht einfach durch künstliche Intelligenz ersetzt werden. Wenn man sich das vor Augen führt, dann ist klar, dass dies auch für die Jobs der Zukunft gilt. Berufe, die ein Mindestmaß an Intuition, Phantasie, Mitgefühl, Kreativität usw. benötigen sind die Berufe der Zukunft - Pflegekräfte, Designer, Grafiker, Prozessentwickler, etc.
Und was bedeutet das für die Marke der Zukunft?
Die Marke der Zukunft muss für eine möglichst hohe Markenattraktivität den Mensch in den Mittelpunkt stellen und zukünftig menschenorientiertes Marketing in den Fokus stellen.
2. Mobil: Alles wird mobil, trag- oder hörbar. Computing wird unsichtbar, allgegenwärtig - absolut unverzichtbar -
Bereits seit einigen Jahren wird in der Website-Entwicklung der "Mobile First"- Ansatz empfohlen. Das ist vom Grundgedanken gesehen nicht falsch, ein Allheilmittel ist es dennoch nicht. Hintergrund ist, dass durch die Berücksichtigung der Produkte/Dienstleistungen, auch ein "Desktop First" - Ansatz durchaus seine Berechtigung haben könnte. Noch viel besser scheint mir der "Customer First" Gedanke, der den Kunden in den Vordergrund rückt und auf seine Bedürfnisse eingeht. Die letzten 10 Jahre zeigen vor allem, dass der "Mobile First" - Ansatz deutlich Fahrt aufgenommen hat. Grund hierfür sind immer leistungsfähigere Geräte, die das Internet jederzeit und überall ermöglichen. Laut einer Statistik von Statista waren in Deutschland 2019 bereits 74 % der Internetnutzer mobil. Das entspricht einer Steigerung von 20 % verglichen mit 2015.
Das Internet wird also immer mobiler. Durch Wearable computing, also z.B. durch Smartwatches oder Google Glass, wird es tragbar und hörbar. Doch was bedeutet das für Marke und Marketing? Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass die Zukunft der Vermarktung nicht in SEA/SEO liegt. Wenn alle mit dem Internet reden und kein Tippen mehr erforderlich ist, dann bedarf es auch eines anderen Marketingansatzes. Die Werbung muss sich also neu erfinden.
3. Datengeprägt: Vieles, das von Angesicht zu Angesicht erfolgte, wird in Daten umgewandelt.
Es ist schon längst kein Geheimnis mehr, dass alles das sich in Nullen und Einsen umwandeln lässt auch umgewandelt wird. Musik, Bücher, Medien haben den Anfang getan. Banking, Tourismus, Transport, Verwaltung, Bildung und Gesundheit werden nun sehr schnell folgen. Unternehmen dieser Branchen sollten sich also, sofern noch nicht geschehen, sehr schnell Gedanken machen, was digitale Transformation für das eigene Business-Modell und für den Kunden bedeutet. Das wiederum wird zwangsläufig Einfluss auf Marke und Marketing haben.
4. Intelligent: Alles wird vernetzt und intelligent
Geht es euch auch so. Habt ihr auch den Eindruck, dass alles smart wird? Der Eindruck täuscht nicht. Ist die Digitalisierung bei den unter Punkt 3 genannten Branchen noch offensichtlich, so fällt es einem schon schwerer sich vorzustellen, dass auch Gasleitungen, Farmen, Autos, Pflaster oder Ampeln digitalisiert werden können.
Wie kann ein Pflaster digitalisiert werden? Ganz im Gegensatz zu Musik, Bücher oder Medien, wird hier nicht das Pflaster selbst durch Daten ersetzt sondern es wird intelligent. Es wird mit Zusatzfunktionen ergänzt, um dem Nutzer etwa notwendige ergänzende Informationen zu liefern. Das smarte Pflaster kann beispielsweise über die Fortschritte der Wundheilung informieren, um so den bestmöglichen Zeitpunkt für den Austausch des Pflasters zu empfehlen. Unnötige Infektion und Komplikationen können vermieden werden.
5. Automatisation: Alles, was automatisiert werden kann, wird automatisiert werden
Internet of Things, auch bekannt als Industrie 4.0, macht es seit vielen Jahren vor. Die "Smart Factory" ist kein Hirngespinst irgendwelcher Zukunftsforscher, sondern in vielen Fabriken bereits Realität. Es handelt sich dabei um eine Produktionsumgebung (i.d.R. Fertigung und Logistik), die sich selbst organisiert und den Menschen weitestgehend überflüssig macht. Was das mit Marketing und Marke zu tun hat? Ganz einfach: Durch die intelligente Vernetzung der Produktionsanlagen und der Fähigkeit zu Selbstorganisation lassen sich die Abläufe schnell, individuell anpassen. Es entsteht die Möglichkeit Kleinserien oder gar Individualprodukte in einem akzeptablen Kostenrahmen zu produzieren. Es entsteht die Möglichkeit deine Marke individuell zu fertigen und/oder zu vermarkten.
6. Antizipierend: Software antizipiert unser Verhalten
Es geht darum, dass Software die Aktivitäten einer Personen vorausahnen bzw. vorhersagen kann. Ein Beispiel gefällig? Wenn Google dein Essverhalten und deine Vorlieben bei deiner Essens-Auswahl kennt, dann kann dir deine Smartwatch, wenn du dich beispielsweise in einer fremden Stadt aufhältst, kurz vor 20:00 Uhr ein entsprechendes Restaurant empfehlen und bei deinem positiven Interesse auch gleich einen Platz reservieren, dein Lieblingsgericht vorbestellen und deine Kreditwürdigkeit bestätigen. Dass dieses Beispiel auch Auswirkungen auf die Vermarktung des Restaurants und seiner Produkte haben kann, ist leicht zu erkennen. Wie das erfolgen kann, ist Aufgabe der Marketingexperten.
7. Virtuell: Augmented / Virtual Reality im Einsatz für Produktion/Dienstleistung
Wer an Anwendungen für Augmented / Virtual Reality denkt, der denkt in erster Linie an Spiele, Technikdemonstrationen und allenfalls noch an 360-Grad Videos. Doch es gibt zukünftig tatsächlich Anwendungsgebiete, die darüber hinaus gehen und die sowohl wirtschaftlich als auch inhaltlich Sinn machen. So sind interessante Anwendungen schon heute im E-Commerce, in der Medizin, im Tourismus, beim Film, in der Therapie und im Marketing zu finden.
Lies den vollständigen Artikel: Augmented und Virtual Reality - Welche Anwendungen wirklich Sinn machen.
8. Plattformorientiert: Alle Daten werden in einer Cloud verfügbar sein und vernetzt werden.
Die Vorteile einer cloudbasierten Lösung sind unbestritten. Höher Flexibilität, Effizienz, Produktivität und Skalierbarkeit sowie geringere Kosten sind da in erster Linie zu nennen. Die Vorteile "erkauft" man sich quasi durch ein gewisses Maß an Unsicherheit. So ist man von den Sicherheitsvorkehrungen des jeweiligen Anbieters abhängig. Die Zukunft aller Daten in der Cloud wird jedoch die sein, dass die Daten cloudübergreifend vernetzt werden und sich für uns Menschen eine unvorstellbare und nur schwer zu steuernde "Black Box" an Daten entsteht.
9. Roboterisierend: Roboter treten in unser tägliches Leben.
Roboter treten nicht erst heute in unser tägliches Leben. Industrieroboter sind schon lange da, Roboter für das private Umfeld spätestens seit sie uns im Haushalt und bei der Gartenarbeit helfen können. Während sich der Einsatz in der Industrie verfeinert und neue Anwendungsgebiete erschließt, steht uns der ganz große Durchbruch im privaten Bereich noch bevor. Die International Federation of Robotics schätzt, dass 2019 weltweit bis zu 31 Millionen Roboter im privaten Haushalt eingesetzt waren und dass bis 2020 die Zahl der Industrieroboter auf 1,7 Millionen steigen wird. Mit dem Einsatz von Robotern im privaten Umfeld dürfte sich auch die Ansprache an die Haushalte verändern. Denken Sie nur daran, was geschieht, wenn ein Roboter zukünftig für die Lebensmittel-Einkäufe zuständig ist. Dieser kauft dann natürlich nicht physisch vor Ort im Einzelhandel ein, sondern datenbasiert. Greifware und Impulskäufe wären passé, die Branche muss ihre Vermarktung neu, zumindest ergänzend ausrichten.
Der Artikel gibt einen ersten Einblick in das Themengebiet und kann die einzelnen Themen nur skizzieren. Vertiefende Artikel zu jedem Bereich sind bereits in Planung.
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